Anwendung

Die Anwendungsmöglichkeiten des Leitfadens sind vielfältig: Bereits im städtebaulichen Planungsstadium können Entwürfe und Ideenskizze überprüft werden, um Beratungshinweise zur Qualitätssicherung der Planung des Quartiers zu geben. Vorrangig geht es aber um die Bewertung eines bestehenden Quartiers. Die Anwendung des Leitfadens umfasst insgesamt sieben Schritte.

Allerdings ist eine gute Vorbereitung notwendig. Unter der Einbeziehung von Entscheider*innen der lokalen Wohnungsunternehmen, der kommunalen Planungsbehörde, des kommunalen Präventionsrates, im Quartier engagierter Träger der Wohlfahrtspflege und der örtlichen Polizei wird vereinbart, welche Ziele mit dem Einsatz des Leitfadens verfolgt werden, welcher Nutzen für das Quartier erwartet wird und ob die angesprochenen Organisationen operative Fachkräfte als Ressourcen für den Prüfprozess entsenden können.

Schritt 1: Auf dieser Grundlage wird ein „lokales Prüfteam“ konstituiert. Es setzt sich interdisziplinär zusammen aus Fachleuten der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, der Architektur und Stadtplanung, der polizeilichen Prävention, von im Quartier ansässigen Unternehmen, Gewerbetreibenden und Dienstleistenden, Professionellen der Sozial- und Gemeinwesenarbeit, aber auch aus engagierten Bewohner*innen sowie Ehrenamtlichen lokaler Institutionen (wie Vereine, lokaler Präventionsrat, Mitglieder des Stadt-/Gemeinderats etc.). Im Prüfteam werden diejenigen Personenkreise berücksichtigt, die als Stakeholder*innen für die Quartiersentwicklung eine wichtige Rolle spielen. Ein Mitglied, das auf die inhaltlichen Anforderungen und das Prozessmanagement vorbereitet worden ist, übernimmt die Koordinationsrolle.

Schritt 2: Die Grunddaten, Merkmale und Hintergrundinformationen des Quartiers werden aus der Statistik und aus Datensammlungen erhoben. Dabei werden die städtebaulichen, wohnungswirtschaftlichen, sozialen und infrastrukturellen Kennzeichen des Quartiers herausgearbeitet. Außerdem wird ermittelt, welche Rolle die interinstitutionelle Zusammenarbeit, das Raummanagement, und die Förderung der sozialen Teilhabe sowie der sozialen Kohäsion im Quartier spielen. Ergänzend werden Satzungen und Planunterlagen des Quartiers zusammengestellt.

Schritt 3: Im Rahmen einer Vorprüfung werden die Informationen, Daten und Planunterlagen ausgewertet. Bestandteil der Vorprüfung ist ein Bewertungsmodul, mit dem das Quartier als Ganzes nach kriminalpräventiven Kategorien in Augenschein genommen werden kann. Im Blickpunkt stehen die Eingangssituation, die Flächennutzung, das Netz der Straßen und Wege, aber auch die Park-, Grün- und anderen Freiflächen als „Rückgrat“ des Quartiers, das Vorhandensein von Sichtachsen, die Relation von Quartiersrändern und Quartiersmitte, die Aufenthaltsbereiche (auch für Kinder und Jugendliche) sowie die Erreichbarkeiten im Quartier. Unter Bezugnahme auf die Pläne des Quartiers werden die Teilstrukturen des Quartiers identifiziert, in denen die späteren Begehungen erfolgen können.

Schritt 4: Die Ergebnisse der Vorprüfung werden vom lokalen Prüfteam erörtert und abschließend bewertet. Auf dieser Grundlage wird die Anwendung des Leitfadens im Quartier vorbereitet. Die Teilnehmenden vereinbaren, wer in welchen Untersuchungsbereichen des Quartiers die Instrumente des Leitfadens anwenden wird, und erstellen einen Zeitplan für die Quartiersbegehungen (Audits), die Beobachtung der Lebendigkeit des Quartiers und für Befragungen.

Schritt 5: Im Rahmen der Quartiersbegehungen (Audits) in den ausgewählten Untersuchungsbereichen kommen die Kriterien der architektonischen und städtebaulichen Quartiersgestaltung sowie der Beleuchtung zur Anwendung. Im Anschluss wird eine Bewertung der Lebendigkeit des Quartiers vorgenommen. Unter „Lebendigkeit“ werden die wahrnehmbaren Nutzungen, Aktivitäten und Nutzungsspuren im (halb-) öffentlichen Raum verstanden. Abschließend werden die Potenziale und die Eigenperspektiven der Nutzerinnen und Nutzer des Quartiers in Gesprächen mit örtlichen Schlüsselpersonen und vor Ort angetroffenen Passant*innen gesammelt.

Schritt 6: Die Audit-, Beobachtungs- und Befragungsbögen werden ausgewertet. Als Resultat liegt ein durchschnittlicher Gesamtpunktwert für jedes Instrument vor. Abschließend wird ein Netzdiagramm – als Visualisierung der empirischen Ergebnisniveaus – erzeugt. Auf dieser Grundlage werden die qualitativen Empfehlungen abgeleitet. Es wird festgehalten, welcher Handlungsbedarf durch die Anwendung des Leitfadens erkannt wurde.

Schritt 7: Die Ergebnisse werden in einem abschließenden Auswertungstreffen erörtert, und es wird über die Vergabe der Auszeichnung „Lebenswertes Quartier“ entschieden. Sie wird vergeben, wenn in einer Bewertungskategorie ein Gesamtpunktwert von mindestens 4,5 (= Erfüllung von Anforderungen der städtebaulichen Kriminalprävention in sehr hohem Maße) oder von mindestens 3,5 (= Erfüllung in hohem Maße) erreicht wurde. Das Prüfteam vereinbart zum Schluss einen Modus, die Umsetzung der abgeleiteten Empfehlungen im weiteren Zeitverlauf zu beobachten.